Keine Anrechnung von Zahlungen des Reiseveranstalters auf die Ausgleichszahlung

Nach einer Flugverspätung machen inzwischen viele Passagiere die Ausgleichszahlung nach der VO (EG) 261/2004 geltend. Doch die Fluggesellschaften zahlen häufig nicht freiwillig. Wenn nicht schon ein außergewöhnlicher Grund für die Verspätung geltend gemacht wird, werden Vergleichsbeträge oder Gutscheine angeboten. 

 

Einige Fluggesellschaften erklären vorsorglich die Anrechnung gemäß Art. 12 Abs. 1 der EG-VO 261/04 hinsichtlich etwaiger Minderungs- und Schadensersatzansprüche.

 

Ist eine solche Anrechnung möglich? 

Lesen wir zunächst den Wortlaut „Diese Verordnung gilt unbeschadet eines weiter gehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Die nach dieser Verordnung gewährte Ausgleichsleistung kann auf einen solchen Schadensersatzanspruch angerechnet werden.“

 

Aus dem Wortlaut ergibt sich zum einen, dass der Reisende sowohl Ansprüche gegen die Fluggesellschaft als auch gegen einen Dritten geltend machen darf. Weiterhin liegt sie fest, dass eine nach dieser Verordnung gewährte Ausgleichsleistung auf einen Anspruch gegen einen Dritten angerechnet werden kann.  Den umgekehrten Fall, die Anrechnung von Zahlungen eines Dritten auf die Ausgleichzahlungen, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen.

Nun könnte man zwar einwenden, dass es vom Zufall abhängt, ob eine Anrechnung erfolgt und die Vorschrift daher ausgelegt werden müsse. 

Zahlt die Fluggesellschaft zuerst, kann sich der Dritte auf eine Anrechnung berufen, zahlt der Dritte zuerst, kann sich die Airline nicht auf eine Anrechnung berufen.

 

Eine planwidrige Regelungslücke vermag ich hier aber nicht zu erkennen.  Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Verordnungsgeber diesen Fall vergessen hat.

 

Er ist wahrscheinlich davon ausgegangen, dass die Fluggesellschaft freiwillig binnen kurzer Zeit die Ausgleichszahlung leistet. Der Dritte – wie z.B. ein Reiseveranstalter – kann dann entscheiden, ob er auch eine Zahlung leistet oder sich auf die Anrechnung beruft. Zahlt der Reiseveranstalter von sich aus wegen einer Flugverspätung einen Minderungsbetrag an den Reisenden, erscheint es auch nicht gerecht, wenn der Fluggesellschaft, in deren Verantwortungsbereich die Flugverspätung liegt, diese Zahlung zu Gute kommt, nur weil sie ihrer Zahlungspflicht verzögert nachkommt.

 

Ähnlich sehen es auch die Gerichte wie z.B. das Amtsgericht Frankfurt a.M. in seinem Urteil vom 04.12.2013 (Az.: 31 C 2243/13 (17)), das ebenfalls eine Anrechnungsmöglichkeit ablehnt.


Für den Fall, dass die Fluggesellschaft die Ausgleichszahlung leistet, kann sich der Reiseveranstalter zumindest dann auf die Anrechnung berufen, wenn die Minderung alleine auf der Flugverspätung basiert (vergl. BGH-Urteil vom 30.09.2014; Az.: X ZR 126/13).

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