Unklare Todesreihenfolge von Ehegatten: OLG Karlsruhe klärt Erbfolge durch Anwendung des § 11 Verschollenheitsgesetz

§ 1923 Abs. 1 BGB regelt, dass nur Erbe werden kann, wer zum Zeitpunkt des Erbfalls lebt. 

Das Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe musste sich in seinem Beschluss vom 26.09.2024 (Az.: 14 W 95/23) in einem Erbscheinverfahren mit der Frage befassen, wie dies bei unklarer Todesreihenfolge zweier Ehegatten zu bewerten ist. Es kam hier zum Streit zwischen den gesetzlichen Erben der Ehegatten.

 

Sachverhalt

  • Der Ehemann verstarb zwischen dem 30. Dezember 2022 und dem 9. Januar 2023, während seine Ehefrau zwischen dem 7. und 9. Januar 2023 starb.
  • Beide Ehepartner wurden am 9. Januar 2023 tot aufgefunden: Die Ehefrau erhängt in einem Schuppen, der Ehegatte im Schlafzimmer.
  • Die Ehe blieb kinderlos, und es existierten weder leibliche noch angenommene Abkömmlinge. 
  • Ein gemeinschaftliches Testament aus dem Jahr 2007 bestimmte, dass der jeweils Erstversterbende den Überlebenden als Alleinerben einsetzen sollte.
  • Da die Todesreihenfolge nicht eindeutig geklärt werden konnte, kam es zu Streitigkeiten zwischen den Geschwistern des Ehemanns und weiteren potenziellen Erben von der Ehefrau, die jeweils unterschiedliche Erbfolgen geltend machten.

Rechtsfragen und Entscheidung

Das OLG Karlsruhe musste klären, ob die Todesreihenfolge festgestellt werden konnte oder ob § 11 Verschollenheitsgesetz (VerschG) anzuwenden ist, der bei ungeklärten Todeszeitpunkten beide Personen als gleichzeitig verstorben gelten lässt.

  1. Ermittlungen und Gutachten
    Rechtsmedizinische und kriminaltechnische Untersuchungen im Rahmen des § 26 FamFG konnten keine genauen Todeszeitpunkte feststellen. Verwesungs- und Fäulniserscheinungen sowie Umgebungsbedingungen wie Temperatur führten zu erheblichen Unsicherheiten.
  2. Anwendung von § 11 VerschG
    Das Gericht stellte fest, dass die gesetzliche Vermutung des § 11 VerschG greift, da die Todesreihenfolge nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Dies bedeutet, dass beide Ehepartner erbrechtlich als gleichzeitig verstorben gelten.
  3. Strenge Beweisanforderungen
    Das Gericht betonte, dass für den Nachweis des Überlebens gemäß § 1923 BGB eine eindeutige und zweifelsfreie Beweisführung erforderlich ist. Wahrscheinlichkeiten oder Indizien reichen nicht aus.
  4. Erbfolge
    Aufgrund der Anwendung von § 11 VerschG wurde das gemeinschaftliche Testament hinfällig, da keiner der Ehepartner den anderen beerben konnte. Es kam zur gesetzlichen Erbfolge, wonach die Geschwister des Ehemanns und deren Nachkommen als seine Erben eingesetzt wurden.

Der Beschluss verdeutlicht die Bedeutung strenger Beweisanforderungen im Erbscheinsverfahren sowie die Funktion von § 11 VerschG zur Vermeidung rechtlicher Unsicherheiten bei ungeklärten Todeszeitpunkten. Die Entscheidung zeigt auch, wie wichtig es ist, eindeutige Regelungen in Testamenten zu treffen, um solche Streitigkeiten zu vermeiden.